Friedhof der Erdplatten: Uralte Erdkruste in den Tiefen des Erdmantels entdeckt
Die früheste, mehr als vier Milliarden Jahre alte Kruste der Erde hat in den Tiefen des Erdmantels überdauert / Es gibt noch heute Spuren der alten Erdkruste in Vulkangesteinen an der Erdoberfläche / Veröffentlichung in PNAS
Die Wissenschaftler Dr. Jonas Tusch und Professor Dr. Carsten Münker vom Institut für Geologie und Mineralogie der Universität zu Köln haben zusammen mit ihrem Kollegen Dr. Elis Hoffmann, Freie Universität Berlin, anhand chemischer Analysen magmatischer Gesteine den Nachweis erbracht, dass in großer Tiefe des Erdmantels die Überreste der ersten Kruste unseres Planeten begraben liegen. Die Forschungsergebnisse wurden gerade unter dem Titel „Long-term preservation of Hadean protocrust in Earth’s mantle“ im Fachjournal PNAS veröffentlicht.
Die früheste Kruste der Erde ruht seit mehr als vier Milliarden Jahren in einem „Friedhof“ aus erkalteten alten Erdplatten, wahrscheinlich schon seitdem Mond und Erde aus einem gigantischem kosmischen Ereignis, der Kollision zweier Protoplaneten, hervorgegangen sind. Diese Erkenntnis ist sehr überraschend, da im Laufe der Erdgeschichte die alte Erdkruste durch plattentektonische Prozesse innerhalb kurzer geologischer Zeiträume in den Erdmantel recycelt und dort durchmischt wurde. Es wurde daher bislang angenommen, dass Zeitzeugen der frühesten geologischen Prozesse nur auf anderen Himmelkörpern, wie den terrestrischen Planeten (Merkur, Venus, Mars), Asteroiden oder dem Mond überdauert haben, wo es keine nennenswerte Plattentektonik gibt. Teile der alten Kruste gelangten allerdings vom tiefsten Erdinneren heraus durch Vulkanismus erneut an die Erdoberfläche, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler. Die chemischen Eigenschaften bestimmter magmatischer Gesteine der Erde geben daher heute den Wissenschaftlern detaillierte Hinweise darüber, wie die früheste Kruste beschaffen war, und auf welchen Wegen sie ihren Weg in den „Friedhof“ der Erdplatten fand.
Die deutschen Wissenschaftler untersuchten in Zusammenarbeit mit internationalen Kolleginnen und Kollegen bis zu 3,55 Milliarden Jahre alte Gesteine aus Südafrika und Eswatini. Die Untersuchung dieser Gesteine ergab, dass die Proben kleine Anomalien in der Isotopenhäufigkeit des chemischen Elements Wolfram aufweisen. Der Ursprung dieser Anomalien, konkret die relative Häufigkeit des Isotops Wolfram-182 (182W), verweist auf geologische Prozesse, die vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren stattgefunden haben müssen. Mithilfe von modellierten Mantelschmelzen zeigt das deutsche Forschungsteam, dass die vorliegenden 182W-Anomalien am besten durch ein Recycling von extrem alter Kruste in den Erdmantel erklärt werden können. „Wir gehen davon aus, dass die unteren Stockwerke der Kruste, sozusagen die Wurzeln der Urkontinente, durch einen geologischen Reifungsprozess schwerer wurden als ihre Umgebung und deshalb in den unterliegenden Erdmantel gesunken sind – ähnlich wie in einer Lavalampe“, erläutert der Kölner Geochemiker Dr. Jonas Tusch.
Die uralte Kruste ruhte in den tiefen Regionen des Erdmantels, wahrscheinlich direkt an der Grenze zum äußeren Erdkern. Teile des Materials wurden über sogenannte Mantel-Plumes, ähnlich Förderbändern, angezapft und in höher liegende Regionen des Erdmantels und manchmal sogar bis hin an die Erdoberfläche zurücktransportiert. Bemerkenswert ist, dass die gleichen Isotopenmuster noch heute in bestimmten Vulkangesteinen (sogenannte Ozeaninselbasalte) gefunden werden (zum Beispiel auf Hawaii, La Reunion oder Galapagos), was belegt, dass Überreste der ältesten Kruste der Erde noch immer im unteren Mantel begraben liegen. „Diese faszinierende Erkenntnis eröffnet die Möglichkeit, einen geochemischen Fingerabdruck der frühen Erde zu erhalten. Wir können dadurch besser verstehen, wie im Laufe der Erdgeschichte große Kontinente entstanden sind und wie sich eine sauerstoffreiche Atmosphäre ausbilden konnte – eine wichtige Grundvoraussetzung für die Entstehung komplexer Lebensformen“, so Dr. Elis Hoffmann von der Freien Universität Berlin.
Der geochemische Fingerabdruck der frühen Erde kann zudem mit Erkenntnissen über andere Planeten, die im Rahmen von Raumfahrtmissionen gewonnen wurden, verglichen werden. So zeigen beispielsweise Daten der Marsmissionen und Untersuchungen von Marsmeteoriten, dass der Mars aufgrund fehlender Plattentektonik noch immer eine sehr alte Oberfläche besitzt, die in ihrer Beschaffenheit vielleicht der jungen Erde entspricht.
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https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2120241119
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