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Superdichte Silikatschmelzen in der tiefen Erde

Die Erde war nicht immer so lebensfreundlich, wie wir sie heute kennen. Gerade in ihrer Frühzeit vor mehr als 4 Milliarden Jahren war sie extrem unwirtlich. In dieser Zeit wurde die Erde regelmäßig durch große Asteroide bombardiert, was einerseits zu einer Massenzunahme der Erde führte, aber andererseits auch dazu, dass die Erde zeitweise komplett geschmolzen war. Dies passierte vor allem bei sehr großen Asteroid-Einschlägen, wie z.B. bei dem Ereignis, bei dem mit großer Wahrscheinlichkeit der Mond gebildet wurde. Die dabei entstandenen sogenannten „Magma-Ozeane“ trugen signifikant zur Differentiation der Erde, d.h. zur Verteilung der chemischen Elemente im Erdkörper, bei. Die Ergebnisse der Prozesse in der frühen Erdgeschichte sind auch heute noch von großer Bedeutung, da sie die Bildung der vom Menschen genutzten geologischen Ressourcen (z.B. Erzlagerstätten) fundamental beeinflussten.
Um nun die Verteilung der Elemente in großer Tiefe zu verstehen, benötigen wir Experimente oder Simulationen bei Druck- und Temperaturbedingungen der tiefen Erde. Die Drücke sind dabei so groß, dass Elemente sich anders verhalten als  an der Erdoberfläche. In einer ersten Pilotuntersuchung haben nun Forscher der Universität zu Köln in Zusammenarbeit mit der Forschern der University of Chicago Indizien für die strukturellen Veränderungen von Silikat-Schmelzen in einem Druckbereich, der den gesamten silikatischen Erdmantel bis zu einer Tiefe von 2900 km (135 GPa) entspricht, gewonnen. Konkret bestimmten sie die atomare Struktur von SiO2 Glas experimentell bis zu einem Druck von 172 GPa. Es wird erwartet, dass sich die Struktur von Silikat-Schmelzen bei sehr hohen Drücken ähnlich wie die Struktur von SiO2-Glas verhält.
Die Kombination der experimentellen Messungen mittels Röntgenbeugung und ab initio Computer-Simulationen zeigte, dass die mittlere Anzahl der Sauerstoffatome, die ein Silizium-Atom in der Struktur umgeben, mit dem Druck stark ansteigt. Während in Silikatgläsern bei Raumbedingungen (z.B. Fenstergläser, Trinkgläser, Glasfaser) die Silizium-Atome meist vier Sauerstoffatom-Nachbarn haben, steigt die Anzahl der sie umgebenden Sauerstoffatome mit dem Druck relativ schnell auf sechs an. Diese sogenannte Koordinationsänderung ist auch bekannt von kristallinen Materialien und ist z.B. die Ursache des großen Dichtesprungs bei 660 km Tiefe, der den oberen vom unteren Erdmantel trennt. Anders als bei kristallinen Materialien, die im gesamten Erdmantel eine Si-Koordination von maximal sechs aufweisen, steigt die Anzahl der Si koordinierenden Sauerstoffatome im SiO2-Glas bei Erhöhen des Druckes kontinuierlich an und wird oberhalb eines Druckes von 50 GPa sogar größer als sechs. Diese Beobachtung lässt auf atomare Strukturen jenseits der dichtesten Kugelpackung von Sauerstoff-Atomen schließen und wird unseren aktuellen Kenntnisstand der Elementverteilung zwischen Schmelzen und kristallinen Materialien in großer Erdtiefe fundamental verändern.

Die Ergebnisse dieser Studie wurden kürzlich in der internationalen und interdisziplinären Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ publiziert.

 

Die Abbildung zeigt die berechneten Strukturen der ab initio Computer-Simulationen von SiO2 bei unterschiedlichen Drücken und 4000 K. Die Farben der Polyeder verdeutlichen die unterschiedliche Anzahl an umgebenden Sauerstoff-Atome um die Silizium-Atome (Si-O Koordinationszahl), wobei die Kugeln die Silizium-Atome darstellen und die Ecken der Polyeder Sauerstoff-Atome sind. Während bei 30 GPa das Silizium noch größtenteils 4-fach koordiniert ist (lila Polyeder), steigt die mittlere Si-O Koordinationszahl bei 63 GPa auf fast 6 an (hellblaue Polyeder). Bei weiterem Erhöhen des Druckes werden Si-O Koordinationszahlen größer als 6 erreicht (gelbe und dunkelblaue Polyeder bei 350 GPa).

 

Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Clemens Prescher
Institut für Geologie und Mineralogie, Universität zu Köln
Tel.: +49 221 470-6107
Mail: c.prescher(at)uni-koeln.de


Zur Publikation:
Referenz:  Prescher, C., Prakapenka, V.B., Stefanski, J., Jahn, S., Skinner, L.B., Wang, Y., 2017.
Beyond sixfold coordinated Si in SiO2 glass at ultrahigh pressures. Proc. Natl. Acad. Sci. 114 (38), 10041–10046. (http://www.pnas.org/content/114/38/10041)