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Wissenschaftler:innen ermitteln erstmals die Krustendicke des Mars

Mithilfe seismologischer Untersuchungen von Marsbeben lässt sich die Struktur und Dicke der Kruste des roten Planeten bestimmen / Daten aus der NASA InSight-Mission in „Science“ veröffentlicht
 
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Satellitenbild der HiRISE Kamera auf dem Mars Reconnaisance Orbiter von einem Hangrutsch in Cerberus Fossa. Dieser Hangrutsch ist ein Hinweis auf tektonische Aktivität in der Region, in der auch zwei der in der Studie verwendeten Marsbeben lokalisiert wurden. © NASA/JPL-Caltech/University of Arizona

Anhand seismologischer Daten von Marsbeben, die von der NASA InSight-Mission aufgezeichnet wurden, konnte erstmals die Struktur der Marskruste in absoluten Zahlen ermittelt werden. Unterhalb der InSight-Landestelle beträgt die Krustendicke demnach entweder etwa 20 km oder etwa 39 km. Dies ergeben Messungen eines internationalen Forschungsteams unter Leitung der Kölner Geophysikerin Dr. Brigitte Knapmeyer-Endrun und Dr. Mark Panning vom Jet Propulsion Laboratory des California Institute of Technology – Caltech (USA). InSight steht für „Interior Exploration using Seismic Investigations, Geodesy and Heat Transport“. Die Landesonde der NASA, die am 26. November 2018 auf dem Mars gelandet ist, erforscht Kruste, Mantel und Kern des roten Planeten. Die Studie ‘Thickness and structure of the Martian crust from InSight seismic data’ erscheint am 23. Juli im Fachjournal Science.

Bisher standen verschiedene Methoden zur Verfügung, um relative Unterschiede in der Dicke der Kruste zu berechnen. Allerdings sind diese Verfahren mit Unsicherheiten behaftet und weisen mitunter große Unterschiede in den Schätzungen auf. Mit der Seismologie können die Wissenschaftler:innen nun direkte Messungen liefern, auf deren Grundlage zudem eine Karte der Krustenmächtigkeit – also der Dicke der Kruste – für den ganzen Planeten angefertigt und die Dichte der Kruste abgeschätzt werden kann.

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Graphische Darstellung der InSight-Landeeinheit auf dem Mars, mit dem Seismometer SEIS vorne links. Ein Querschnitt zeigt den Boden unterhalb der Landestelle, und im Hintergrund sind Staubteufel zu sehen. © IPGP/Nicolas Sarter

„Was wir seismologisch messen können, sind vor allem Geschwindigkeitskontraste. Das sind Unterschiede in der Ausbreitungsgeschwindigkeit von seismischen Wellen in unterschiedlichen Materialien“, sagt Knapmeyer-Endrun, Erstautorin der Publikation. „Hier gibt es dann, sehr ähnlich zur Optik, Phänomene wie Reflexion und Brechung. Für die Kruste kommt uns zugute, dass Kruste und Mantel aus unterschiedlichen Gesteinen bestehen und es einen ziemlich starken Geschwindigkeitssprung zwischen den beiden gibt.“ Anhand dieser Sprünge lässt sich die Krustenstruktur sehr genau ausmachen.

Die Daten zeigen, dass an der InSight-Landestelle die oberste Schicht etwa 8 (+/-2) km dick ist. Darunter folgt eine weitere Schicht bis in etwa 20 (+/-5) km. „Dann könnte bereits der Mantel folgen. Dies wäre eine überraschend dünne Kruste, auch im Vergleich zur kontinentalen Kruste auf der Erde. Unter Köln ist die Erdkruste etwa 30 km dick“, erläutert Knapmeyer-Endrun. Eventuell gibt es auf dem Mars aber noch eine dritte krustale Schicht, so dass die Marskruste unter der Landestelle etwa 39 (+/-8) km dick wäre. Das würde eher zu bisherigen Annahmen passen, allerdings ist das Signal von dieser Schicht mit bisherigen Daten nicht eindeutig einzuordnen. „In beiden Fällen können wir jedoch ausschließen, dass die ganze Kruste aus dem gleichen Material besteht, das man aus Oberflächenmessungen und von Marsmeteoriten kennt“, so die Geophysikerin. „Die Daten sprechen eher dafür, dass die oberste Schicht aus einem unerwartet porösen Gestein besteht. Auch könnten in größeren Tiefen andere Gesteine vorliegen als die Basalte, die man an der Oberfläche sieht.“

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Querschnitt durch das Seismometer SEIS. Man sieht die äußere Hülle, das Wind- und Thermalschutzschild (weiß), das separat über dem Seismometer abgesetzt wurde, um es vor Umgebungseinflüssen, insbesondere Wind und Temperaturschwankungen, zu schützen. Das Seismometer selber befindet sich in der messingfarbenen sechseckigen Hülle. Das Breitbandseismometer (VBB) besteht aus drei Pendeln, die sich innerhalb eines Vakuumgefäßes befinden, um zusätzlichen Schutz vor Temperaturschwankungen zu bieten. © NASA/JPL-Caltech/CNES/IPGP

Die einzelne, unabhängige Messung der Krustendicke an der InSight-Landestelle reicht aus, um die Kruste über den ganzen Planeten hinweg zu kartieren. Durch Messungen von Satelliten, die den Mars umkreisen, kennt man das Schwerefeld des Planeten sehr genau. Dadurch können relative Unterschiede in der Krustendicke in Bezug zur InSight-Messung gesetzt und relativ in absolute Werte für den gesamten Mars umgerechnet werden.

Die Krustenmächtigkeit des Mars ist von besonderem Interesse, da sich die Kruste zu einem frühen Entstehungszeitpunkt aus den Resten eines geschmolzenen Mantels gebildet hat. Die Daten zur heutigen Beschaffenheit können also auch Aufschluss darüber geben, wie sich der Mars entwickelt hat. Zudem hilft ein genaueres Verständnis der Entwicklung des Mars zu entschlüsseln, wie frühe Differenzierungsprozesse im Sonnensystem abgelaufen sind und warum etwa Mars, Erde und andere Planeten heute sehr unterschiedlich sind.

InSight ist eine Mission der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Die Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) geleitet. Die Landeeinheit wurde von Lockheed Martin Space gebaut. Zahlreiche europäische Partner sind mit Beiträgen zu den wissenschaftlichen Instrumenten an InSight beteiligt. Das Seismometer SEIS wurde von einem Team unter Leitung der französischen Weltraumagentur CNES zur Verfügung gestellt. Weitere Partner sind das Institut de Physique du Globe de Paris (IPGP, Frankreich), die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH, Schweiz), das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS, Deutschland), das Imperial College London und Oxford University (Großbritannien), und das Jet Propulsion Laboratory (JPL, USA). Das Centro de Astrobiología (CAB, Spanien) hat die Temperatur- und Windsensoren zur Verfügung gestellt. Das Instrumentenpaket HP3 wurde unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter Beteiligung der Polnischen Akademie der Wissenschaften und Astronika (Polen) entwickelt und gebaut.


Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Brigitte Knapmeyer-Endrun
Institut für Geologie und Mineralogie
+49 0221 470 7130
brigitte.knapmeyer-endrununi-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470 2356
j.voelkelverw.uni-koeln.de

Publikation:
Thickness and structure of the martian crust from InSight seismic data, https://science.sciencemag.org/content/373/6553/438