Prof. Dr. Michael R. W. Amler
Wissenschaftliche Interessen
Allgemeine Paläontologie – Paläobiologie – Systematische Paläontologie – Paläoökologie – Biostratigraphie – Historische Geologie
Hier geht es zu einigen Projekten....
Paläobiologie und Evolution jungpaläozoischer Conocardiida (Mollusca: Rostroconchia, Devon – Perm)
Die Untersuchung der morphologisch sehr ungewöhnlichen und weitgehend unerforschten jungpaläozoischen Conocardien analysiert deren Paläobiologie, Evolution, Lebensgewohnheiten und Paläoökologie, außerdem sollen ihre biofaziellen Einsatzmöglichkeiten getestet werden. Diese Organismengruppe spielt im Rahmen der Stammesgeschichte der Mollusken eine herausragende Rolle. Wir untersuchen sie vor allem mit mikrostrukturellen Analysemethoden, weil die Entwicklung der Larvalschalen und die Mikrostruktur der Schale innerhalb der Mollusken ungewöhnlich ausgebildet sind und herkömmliche Bearbeitungen versagt haben. Inzwischen sind wir weltweit die einzige Arbeitsgruppe, die sich mit diesen Mollusken beschäftigt. Die systematischen und paläobiologischen Ergebnisse werden laufend zusammengetragen und in einer Datenbank verfügbar gemacht. In diesem Projekt werden rasterelektronenmikroskopische und computertomographische Methoden sehr erfolgreich eingesetzt.
Bivalven-Faunen im späten Oberdevon und Karbon Europas und Nord-Amerikas (Taxonomie, Biostratigraphie und Paläoökologie)
Ohne Taxonomie keine Anwendung ! Eine großangelegte Bearbeitung soll die Bivalven-Faunen des marinen Ober-Devons und Karbons benutzbar machen, so dass sie, wie bisherige Forschungsergebnisse gezeigt haben, für stratigraphische Zwecke sowie für fazielle, paläoökologische und paläogeographisch/-klimatologische Interpretationen aussagefähig werden, vor allem dort, wo andere Fossilgruppen versagen oder um andere Ergebnisse zu prüfen. Dazu zählt auch die Untersuchung einzelner (Bivalven-) Faunen (z.B. im Rahmen von BSc-, MSc-Arbeiten und Dissertationen), die sowohl als Einzelarbeiten als auch im Gesamtzusammenhang Mosaiksteine im phylogenetischen, erdgeschichtlichen und biofaziellen Bild des Devons und Karbons von Europa bilden.
Faunen, Faunenentwicklungen, Paläoökologie und Paläobiogeographie im Westen der Paläotethys
Karbonische Sedimentgesteine und Faunen Nord-Spaniens bilden ein besonders wichtiges Bindeglied bei der Rekonstruktion der Paläogeographie der westlichen Paläo-Tethys zwischen den Großkontinenten Gondwana und Laurussia. Neben plattentektonischen und paläomagnetischen Daten geben faunistische Beziehungen aussagekräftige Hinweise zur ehemaligen Position einzelner Sedimentationsräume und Kontinentfragmente bzw. ihrer Beziehungen zueinander. Aufbauend auf den Pionieruntersuchungen im Paläozoikum des Kantabrischen Gebirges durch niederländische Kollegen und Kolleginnen in den 60er Jahren werden vor allem die genaue stratigraphische Abfolge in den verschiedenen strukturgeologischen Teilgebieten sowie faunistische Beziehungen von Mollusken, Trilobiten und Brachiopoden innerhalb der Teilareale des Kantabrischen Gebirges (Kantabrische Zone: Asturo-Leonesische Region, Palentinische Region) untersucht (DFG-Projekt Am76/5). Anschließend gilt es, die bisher postulierten Verbindungen zum Karbon der Karnischen Alpen, der Karawanken und der Ukraine sowie nach Nordamerika zu überprüfen. Mollusken eignen sich wegen ihres Provinzialismus besonders für derartige Untersuchungen. Sie werden im Vergleich zu Brachiopoden, Trilobiten und Ostracoden hinsichtlich ihrer Vergellschaftungen innerhalb ausgewählter karbonischer Formationen Kantabriens (Ermita-Fm., Vegamián-Fm., Genicera-Fm., Pando-Fm. sowie Cantabrisch-Barruelische Faunen) analysiert, um sie dann in Bezug auf Vergesellschaftungen, Beziehungen und paläobiogeographische Verbreitung auszuwerten und um schließlich faunistische Indizien für die paläogeographische Position der kantabrischen Teilbecken zu erhalten. Zusätzliches Interesse besteht an den Cantabrisch-Barruelischen Faunen, die die jüngsten voll-marinen Faunen Europas westlich (?) der russischen Plattform repräsentieren. Dieses Projekt wird aktuell auf die Karnischen Alpen, insbesondere auf das „Karbon von Nötsch“ ausgeweitet. Von dort liegen ausgezeichnet erhaltene, sehr reiche Faunen vor, die den Rang einer Fossillagerstätte erreichen.
Fauna, Biostratigraphie und Paläoökologie der Kulm-Fazies (Karbon) in Mitteleuropa
In Zusammenarbeit mit anderen geologisch und paläontologisch arbeitenden Wissenschaftler/inne/n werden die nach wie vor kontrovers diskutierten Befunde des Karbons von Mitteleuropa untersucht, um zu einem schlüssigen Bild der Paläogeographie und Paläoökologie im Karbon zu gelangen und die verschiedenen Faziesräume (Kulm, Erdbach-Kalk, Kohlenkalk, paralisches Karbon, Tethys) vergleichen zu können. Die biostratigraphische Verwendbarkeit von Muscheln im Karbon wurde durch ein DFG-Projekt (Am76/4), die fazielle und biogeographische Verbreitung von Schwarzschiefer-Muscheln durch ein ARC Kooperationsprojekt mit der Universität Leeds finanziell gefördert.
Der Südrand von Laurussia - multidisziplinäre paläontologische Analysen eines siliziklastischen Flachschelfes
In einem Forschungsprojekt wird beispielhaft mit einer Vielzahl paläontologischer und sedimentologischer Methoden der siliziklastische und gemischt siliziklastisch-karbonatische Flachschelf einschließlich seines Küstenstreifens im Gebiet zwischen SW-England und Polen während des Oberdevons und Unterkarbons untersucht. Dadurch kann in der Raum-Zeit-Ebene die bio- und lithofazielle Entwicklung, die Paläoökologie, die Biogeographie und die Paläogeographie von den Britischen Inseln bis zur Russischen Plattform am Südrand von Laurussia im Oberdevon und Karbon nachgezeichnet und mit gleichaltrigen Räumen im östlichen Nordamerika verglichen werden.
Trotz ihrer weiten (paläogeographischen) Verbreitung am Südrand von Laurussia vom Unter-Devon bis Unter-Karbon und vom östlichen Nordamerika über die Britischen Inseln bis zur Russischen Plattform sind sandige und gemischt sandig-karbonatische Schelfareale in paläontologischer Hinsicht nur unzulänglich untersucht, trotz eines guten und umfangreichen Überlieferungspotentials. Dieses Projekt verknüpft zahlreiche Arbeitsgebiete, Methoden und Interessen, so dass Ergebnisse auf dem Sektor der Mikropaläontologie, der systematischen Paläontologie, Evolution und angewandten Paläontologie (Biostratigraphie, Paläoökologie, Fazieskunde, Biogeographie) mit denen der historischen Geologie vereinigt und anschließend großräumig ausgewertet (Paläogeographie, Paläoklimatologie, Becken- bzw. Schelfentwicklung) werden können. Dieses Projekt bietet einen ausgezeichneten Hintergrund für die Analyse von Evolutionsschritten und -einschnitten z.B. bei marinen Invertebraten während des Jung-Paläozoikums.
Taphonomie und Aktuopaläontologie rezenter Molluskenfaunen
Taphonomische Prozesse spielen im Rahmen der Biofazies-Analyse eine grundlegende Rolle. Fahrlässige bzw. oberflächliche Behandlung dieser Phänomene stellt nicht nur das Gesamtergebnis in Frage, sondern verhindert gegebenenfalls auch die weitere Verwendung der gewonnenen Ergebnisse. Überlieferungsmechanismen und -veränderungen sind zu entschlüsseln, um autochthone, subautochthone und allochthone Phänomene zu trennen, so dass Schlussfolgerungen auf eine solide Basis gestellt werden können. Beobachtungen zur Taphonomie spielen dann eine besondere Rolle, wenn der von verschiedenen physikalischen Parametern beeinflusste Lebensraum der Organismen in Zusammenhang mit dem Einbettungsort ihrer überlieferbaren Hartteile (Gehäuse, Skelettelemente etc.) gesetzt wird. Die Quantität der Organismen in den potentiellen Liefergebieten in Relation zu den tatsächlich überlieferten bzw. zur Überlieferung bereitgestellten Organismenresten ist dabei genauso von Bedeutung wie Art und Intensität der physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren, die eine Überlieferung ermöglichen, behindern oder verhindern.